Karolina Borowski – Stadtführerin

 

 

 

 

Ich habe Polen 1979 mit meinen Eltern verlassen. Zuerst haben wir in Ravensburg am Bodensee gewohnt, seit 1992 wohne ich in Dresden. Es gab viele Gründe hierher zu kommen: einerseits konnte ich meinen eigenen Laden eröffnen und andererseits hätte ich in einer Stadt, die mir nicht gefällt, nicht wohnen können.

Ich hatte eine sentimentale Verbindung mit Dresden. Ich war hier Anfang der 1970er Jahre mit meinen Eltern. Wir haben selbstverständlich gute Einkäufe gemacht. Ich war 12 und zum ersten Mal habe ich verstanden was Krieg bedeutet. Diese Ruinen, die zerstörte Stadtstruktur – die Kriegszerstörungen waren damals sehr spürbar in Dresden. Die Ruine der Frauenkirche ist mit sehr im Gedächtnis geblieben. Einerseits war ich erschrocken, andererseits haben schönes Wetter und Sonne bei mir Assoziationen mit Italien hervorgerufen. Erst später habe ich erfahren, dass Dresden auch Elbflorenz genannt wird! 

1992 bin ich also nach Dresden gekommen. Ich fühle mich hier näher an Polen als am Bodensee. Dort ist es wunderschön, aber ich war dort fremd und weit von Polen entfernt. In Dresden habe ich sieben Jahre lang ein Küchenstudio geleitet. Die Situation auf dem Möbelmarkt wurde jedoch so dramatisch, dass es sich nicht mehr gelohnt hat. Ich habe dann bei Eschebach-Küchen gearbeitet, wo wir viele Kunden aus Polen hatten. Leider, nach der Firmeninsolvenz, habe ich diese Arbeit verloren und musste wieder von vorne anfangen.

Die Stadt hat mich von Anfang an eingesogen. Ich war Zeuge des Wiederaufbaus der Frauenkirche und anderer wichtiger Ereignisse. Die Stadtgeschichte, die tolle Lage an der Elbe, die Kultur und Umgebung der Stadt geben mir eine hohe Lebensqualität. Die Bebauung der Neustadt erinnert mich auch an meine Heimatstadt Gliwice (Gleiwitz), die eine deutsche Stadt war. 2006 wurde ich also nach den bestandenen Prüfungen eine Stadtführerin. Ich wusste noch nicht, was mich erwartet, aber ich war mir sicher, dass meine Polnischkenntnisse eine Besonderheit auf diesem Markt sind. Anfangs hatte ich überwiegend deutsche Reisegruppen, jetzt sind die Proportionen zwischen den Gruppen aus Polen und Deutschland ausgewogen.

Als ich 2006 die ersten polnischen Reisegruppen geführt habe, bin ich auf Verwunderung gestoßen, dass Dresden so eine schöne Stadt ist. Viele dachten, Dresden sei noch eine „DDR-Stadt“. Keiner hat erwartet, dass es gleich hinter der Grenze eine so schöne Stadt mit reicher Kultur und Geschichte gibt. Meine Arbeit hat also einen Einfluss auf die Änderung der Betrachtungsweise auf Dresden und bedeutet eine tolle Werbung für die Stadt. Meine Gäste sind immer von Dresden begeistert und erzählen darüber in Polen. Es macht mir große Freude zur polnisch-deutschen Annäherung beizutragen, schon allein durch die Erzählung von der polnisch-sächsischen Geschichte, die nicht nur aus August dem Starken besteht.

Leider versteht Dresden das noch nicht. Obwohl wir unmittelbare Nachbarn sind, bin ich enttäuscht. Es gibt hier kein Gefühl der Nähe, für viele Menschen liegt Polen hinter den Bergen und Wäldern ohne Stromanschluss! Polnische Touristen sind hier nicht eingeladen und willkommen, es gibt kaum Informationsmaterial über Dresden auf Polnisch. Ich versuche immer, solch ein Material zu bekommen. Polnische Touristen werden nicht als eine ernsthafte Zielgruppe wahrgenommen. Es wird nicht verstanden, dass die sich Hotels oder gute Restaurants leisten können. Viele Leute aus Dresden waren in Polen und haben nette Erinnerungen von den Sommerferien oder anderen Treffen. Aber dieses Gefühl wird nicht auf die Gegenwart übertragen.

Mein Lieblingsort in Dresden sind die drei Schlösser an der Elbe. Sie haben eine faszinierende und lustige Geschichte, auch von der Liebe, die nicht dort fällt, wohin sie fallen soll. Zu jeder Jahreszeit ist es dort wunderschön und romantisch.

Gehört, notiert und übersetzt von Patrycja Bielawska-Roepke